Training ins Ungewisse: Wie geht´s weiter im Radsport?

Die Radsportler von AVIA racing sind derzeit ausgebremst. Die Corona-Krise hat auch den Straßenrennsport fest im Griff. Wie das Team die Motivation hochhält, wie und wo trotz ausgesetzter Straßensaison Wettkämpfe bestritten werden und warum Rad am Ring der Saisonhöhepunkt bleibt. Wir haben die Jungs zum Videointerview getroffen. AVIA im Gespräch mit Florian Vickus, Max Göke, David Nothnagel und Marius Samson.


AVIA: Florian, im Nordrhein-westfälischen Herford fand Anfang März noch der Auftakt der deutschen Straßensaison statt. Seid Ihr dort mit AVIA racing bereits in die Saison gestartet?

Florian: Nein, tatsächlich noch nicht. Viele von uns waren zu dem Zeitpunkt noch im Trainingslager oder kehrten gerade aus diesen zurück. Auf Mallorca und in Girona konnten wir eine gute Grundlage legen und bereits an den Spitzen arbeiten. Geplant war nach unserer Teampräsentation in Linz bei den Rennen in Aachen und Einhausen in die Saison zu starten.

AVIA: Aktuell fühlt sich das sicher wie eine verlängerte Winterpause an. Fangt Ihr wieder bei null an, wenn die ersten Wettkämpfe erneut ausgeschrieben werden?

Florian: Eine gute Frage. Wir hoffen natürlich, dass es so bald wie möglich weiter geht. Veranstalter und Vereine brauchen aber genügend Zeit zur Vorbereitung der Veranstaltungen. Diese Zeit nutzen wir dann für eine spezifische Vorbereitung, die auf der gelegten Grundlage aufbaut. Von einem kompletten Neustart bei null würde ich daher nicht sprechen. Aktuell hat die Gesundheit aller aber natürlich Priorität.

AVIA: Einige eurer Highlights, wie der große Osterpreis von Ahrweiler oder der Klassiker Rund um Düren, sind bereits ausgefallen.

Max: Nunja, grundsätzlich ist Radsport unser Hobby und wir lieben es einfach in die Pedale zu treten. Selbstverständlich fahren wir alle gerne Rennen und sind traurig, dass die Veranstaltungen richtigerweise abgesagt werden mussten, aber Trainingsfahrten in der Natur sind weiterhin möglich. So können wir unsere Form halten und haben gleichzeitig einen Ausgleich zum teilweise doch sehr eingeschränkten Leben. Mir persönlich fehlt vor allem der Kontakt zu meinen Vereins- und Teamkollegen. Einen kleinen Trost spendet die digitale Trainingsplattform Zwift. Hier können wir uns direkt aus unseren Wohnzimmern in virtuellen Welten verabreden und gemeinsame Touren oder Rennen fahren. Bei einem gleichzeitig laufenden Videoanruf können wir uns so zusammen quälen und über dies und jenes plaudern.

AVIA: Das klingt interessant. E-Racing. Wie läuft das ab?

Max: Wie ich bereits sagte schafft E-Racing die Möglichkeit in den eigenen vier Wänden in virtuellen Welten mit- und gegeneinander zu radeln. Dabei wird das eigene Fahrrad auf einer Rolle eingespannt, welche die Leistungsdaten misst und Widerstände entsprechend der Steigung oder des Gegenwindes einstellt. Wir nutzen hierbei Zwift. Wenn man sein Gewicht und seine Größe angibt, kann der Computer umrechnen, wie schnell man unterwegs ist und überträgt die Daten dann auf den jeweiligen virtuellen Charakter. Es ist schon erstaunlich, wie viel Spaß das machen kann, wenngleich es meiner Meinung nach das “echte Fahren” nicht ersetzen kann.

AVIA: Fordert Ihr Euch hier auch wöchentlich gegenseitig heraus?

Max: Nicht ganz. Wir suchen uns regelmäßig, meist an zwei Terminen pro Woche, Rennen aus, welche wir gemeinsam bestreiten. Dabei sind nicht selten über 500 Fahrer am Start und wir versuchen möglichst weit vorne zu landen. Der Spaß steht dabei, wie auch bei echten Rennen, natürlich immer im Vordergrund. So kann es schonmal sein, dass ein Fahrer währenddessen Mallorcahits aufdreht.

AVIA: Was bewirkt das im Kopf, Marius? Können E-Rennen Straßenwettkämpfe ersetzen?

Marius: Nicht ganz. Wie Max schon gesagt hat fehlt hier der zwischenmenschliche Kontakt. Zum Beispiel der Plausch mit den Teamkollegen, anderen Fahrern oder dem Fotografen. Die besondere Atmosphäre eines Radrennens kommt in der virtuellen Welt auch nicht auf. Die Atmosphäre eines perfekten Renntages kann man sich idealerweise so vorstellen: Bei bestem Wetter herrscht Volksfeststimmung mit vielen Zuschauern am Straßenrand, man hört die Musik und den Streckensprecher, der Geruch von Grillgut oder Kuchen liegt in der Luft und dazu dann die Geräuschkulisse eines großen Fahrerfeldes das mit den Rädern unter voller Leistung die Straße entlang rast. Dabei fehlt beim E-Rennen auf dem Rollentrainer in der eigenen Wohnung die Komponente des Fahrens. Man bewegt sich ja nur in der virtuellen Welt fort. Der Nervenkitzel, wie zum Beispiel mit einem großen Fahrerfeld durch enge Weindörfer in der Pfalz zu heizen, die schnellste Linie in der Grünen Hölle zu finden, oder Kämpfe um eine gute Position im Feld gibt es hier nicht. Man merkt schon die Radrennen am Wochenende sind etwas Besonderes und sie fehlen uns sehr. Da sie bedeutend öfters stattfinden als Rad am Ring oder die von Vereinen organisierten und ausgetragenen Rennen sind die E-Rennen nichtsdestotrotz eine gute Abwechslung, bei der man sich jederzeit besonders gut verausgaben kann.

Florian: Interessant ist auch, wie sich die E-Szene in den vergangenen Wochen entwickelt hat. Ganz aktuell wird sogar die deutsche Radbundesliga ins Wohnzimmer verlagert. An mehreren Renntagen wird hier ein virtueller Gesamtsieger ermittelt. Wir sind mit AVIA auch dabei und hoffen auf gute Ergebnisse. Wie Max vorhin schon erwähnte, steht der Spaß aber auch hier im Vordergrund.

AVIA: Max hat 2019 beim Volks- und Raiffeisenbanken-Cup im Zollernalbkreis die zweite Etappe gewonnen. Fast alle Rennen sind abgesagt, die Vorbereitung auf konkrete Ziele ist für Euch aktuell kaum möglich. Plant Ihr dennoch mit Saisonhöhepunkten?

Marius: Natürlich hat jeder seine persönlichen Saisonhöhepunkte und Highlights und man hofft aus sportlicher Sicht, dass diese stattfinden werden. Aktuell ist dies aber nicht vorhersehbar. Deshalb befindet man sich in einer recht ungewohnten Situation. Dies gilt auch für den Saisonhöhepunkt des Teams bei Rad am Ring. Sehr gerne würden wir auch dieses Jahr wieder um die vorderen Plätze im 24 Stunden Rennen in der Grünen Hölle kämpfen. Abgesehen vom sportlichen Erfolg ist es aber auch immer schön, wenn das gesamte Team und die Verantwortlichen zusammenkommen und man gemeinsam eine schöne und auch spannende Zeit hat. Deshalb würde Rad am Ring natürlich am meisten fehlen. Dies ist die Veranstaltung im Jahr, bei der die vielen Beteiligten im Team – im Vordergrund sowie im Hintergrund – zusammenkommen, zusammen fiebern und feiern können. Letztendlich bleiben wir positiv und warten ab, wie sich die Situation entwickelt und hoffen, dass wir noch möglichst viele gemeinsame Saisonhöhepunkte erleben können.

David: Natürlich ist es auch schade, dass die spannenden Eintagesrennen des Frühjahrs ausfallen mussten. Wir hatten uns in diesem Jahr vorgenommen, mit einem Teil des Teams das Jedermannrennen der Flandernrundfahrt zu bestreiten, um am darauffolgenden Tag die Profis auf der gleichen Strecke anzufeuern. Mit der Strecke in den eigenen Beinen spürt man nochmals deutlicher, welch herausragende Leistung die Sportler da erbringen.

AVIA: Der Einfluss der Corona-Krise ist derzeit ja überall zu spüren. Wie beeinflusst Euch die aktuelle Situation neben Training und Wettkämpfen abseits der Straßen. Gibt es konkrete Auswirkungen auf Euch als Team?

David: Radsport ist in erster Linie ein Teamsport. Ausfahrten als Team motivieren besonders stark zum Training, und am Ende einer gemeinsamen Abendrunde denkt man häufig “Puh, alleine hätte ich nicht so in die Pedale getreten”.

Florian: Da kann ich David voll zustimmen. Leider mussten wir unsere Teampräsentation Mitte März auch absagen. Wir freuen uns aber jetzt schon darauf, diese nachzuholen und das Team der Öffentlichkeit zu präsentieren. Darauf freut sich unser neues Teammitglied Niklas jetzt schon.

AVIA: Glaubt Ihr, der Radsport wird auch nach der Krise medial weiter im Fokus stehen. Die Deutschland-Tour war ja gerade 2019 ein großer Erfolg mit tausenden von Zuschauern.

David: Da bin ich mir sicher. Ob Profi-Rennen wie die Deutschland Tour, Jedermannsport wie bei Rad am Ring oder auch der Lizenzsport mit den Amateurrennen – nach der Krise und den damit verbundenen Einschränkungen freuen wir uns ja alle über Abwechslung. Die Events werden dann sicherlich gut besucht sein und auch ihre verdiente mediale Aufmerksamkeit erlangen.

AVIA: Ein Blick voraus: Was lernt man aus einer solchen Phase?

Florian: Das nichts selbstverständlich ist und wir uns sehr glücklich schätzen können, in einem Umfeld leben und arbeiten zu können, in welchem eine hervorragende medizinische Versorgung sichergestellt ist. Dabei ist es sogar noch möglich, unserem Hobby nachzugehen, wenn auch in der Realität derzeit maximal zu zweit oder eben virtuell im Wohnzimmer.

AVIA: Vielen Dank Jungs, bleibt gesund!

Update vom 29.04.2020: Zwischenzeitlich wurde Rad am Ring 2020 offiziell abgesagt. Der Veranstalter hat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer per Mail und Videobotschaft informiert. Mit der Absage haben die Verantwortlichen die derzeit einzig vernünftige Entscheidung im Sinne und zum Wohle aller Beteiligten getroffen. Wir hoffen jetzt, dass die Veranstaltung am Nürburgring nächstes Jahr wieder wie gewohnt stattfinden kann. Wir versuchen zuversichtlich in die Zukunft zu blicken und halten die Form und die Motivation hoch.

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News: Radsport
Deutsche AVIA Mineralöl-GmbH