Endlich wieder Fliegen vor den Fans: Finale des Sommer Grand Prixs in Klingenthal

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ein norwegischer Ski-Adler wird aber wohl mit vier Flugeinlagen bei acht möglichen Grand-Prix-Springen zum Sommerkönig gekürt. Halvor Egner Granerud führt vor dem Finale in Klingenthal die Gesamtwertung mit 75 Punkten Vorsprung vor Jan Hörl (Österreich) an. AVIA hat vor den Wettbewerben der Damen und Herren am 2. Oktober in der Vogtland-Arena seinen Skisprungexperten Gerd Siegmund befragt.


AVIA: Hallo Gerd! Gibt es etwas Bemerkenswertes vom Skisprung-Sommer zu berichten?

Gerd Siegmund: Als erstes fällt mir der Rücktritt von Gregor Schlierenzauer ein. Einem ganz Großen des Skispringens, der u. a. mit 53 Weltcupsiegen die Sportart geprägt hat, gebührt großer Respekt für seine Verdienste. Er ist im Klingenthaler Verein Ehrenmitglied geworden, als er in der Vogtland-Arena Siege in Serie gefeiert hat. Dass er jetzt seine Grenzen spürt und die Jugend nachrückt, ist der Lauf der Dinge im Sport.

AVIA: Die besten Skisprungnationen hielten sich mit Starts auf den sechs Grand-Prix-Stationen zurück. Warum eigentlich?

Gerd Siegmund: Ich weiß nicht, ob es noch der Pandemie geschuldet ist. Die komplette Weltelite war eigentlich nur zuletzt in Hinzenbach am Start und wird sicher jetzt in Klingenthal antreten. Von daher müsste man eher von einem Sommer-Duett als von einer Serie sprechen. Unabhängig davon könnte die Normalschanze in Hinzenbach ein Fingerzeig gewesen sein. Der zweitplatzierte Ryoyu Kobayashi hat offensichtlich weiter Fortschritte gemacht, die Umstellung auf das neue Reglement der Schuhkeile zu bewältigen. Mit ihm ist im Olympiawinter sicher zu rechnen.

AVIA: Aus deutscher Sicht waren neben Rang drei für Karl Geiger vor allem die Ergebnisse von Andreas Wellinger als Fünfter und von Stephan Leyhe als 13. erfreulich. Was traust Du ihnen nach langen Verletzungspausen zu?

Gerd Siegmund: Die Resultate schaden in jedem Fall nicht, sie werden ihnen Selbstvertrauen geben. Man sollte aber noch vorsichtig sein mit Prognosen. Ich denke, gerade bei Andi Wellinger ist schon in der Anfahrtsposition erkennbar, dass er im Sommer fleißig gearbeitet hat. Es geht darum, vom Schwerpunkt her etwas zentraler in der Anfahrt zu ­hocken, um die Kraft optimal auf den Schanzentisch zu bekommen.

AVIA: Beim japanischen Hinzenbach-Sieger Sato sieht das irgendwie anders aus. Da muss man Angst haben, dass er irgendwann mit den Knien nach vorn auf die Skier kippt…

Gerd Siegmund: Ja, das fragt sich mancher Experte, wie er das macht und wie man so gelenkig im Fußgelenk sein kann. Aber das ist ja auch das Schöne am Skispringen. Es gibt nicht nur diesen einen Stil, der erfolgreich ist.

AVIA: Was sorgt aus Deiner Sicht in Klingenthal noch für Spannung? Der Titel des Sommerkönigs ist Granerud ja kaum noch zu nehmen, oder?

Gerd Siegmund: Ja, das ist aber eher zweitrangig. Graneruds Landsmann Daniel-André Tande wird laut Meldeliste in Klingenthal sein Wettkampf-Comeback auf der Großschanze geben. Das ist sicher interessant. Und spannend aus deutscher Sicht wird auch, wie sich die nationale Gruppe präsentiert. Für Springer wie Martin Hamann, der nach vier Monaten Ausbildung bei der Bundespolizei noch Rückstände hat, oder auch für Richard Freitag, sind die Springen, noch dazu vor heimischen Fans, enorm wichtig. Sie müssen jede Gelegenheit nutzen, um sich für den Weltcupauftakt Ende November zu empfehlen. Denn für die Olympiaqualifikation alles auf die Karte Vierschanzentournee zu setzen, wäre keine gute Idee.

AVIA: Wirst Du in Klingenthal vor Ort sein?

Gerd Siegmund: Ja, und ich freue mich wie die gesamte Skisprungfamilie darauf, dass endlich wieder Zuschauer in die Arena dürfen. Auch wenn es diesmal wegen der Corona-Anordnung nur 2500 Fans sind: Ich bin mir sicher, dass sie eine Stimmung machen, als wären es 7000 Leute. Und wenn ich mal etwas Werbung in eigener Sache machen darf: Das MDR-Fernsehen wird das Männerspringen am Samstag live übertragen, mit Experte Jens Weißflog im Auslauf und meiner Wenigkeit als Co-Kommentator an der Seite von Torsten Püschel. 

AVIA: Dann wirst Du die Grand-Prix-Premiere des Damen-Bundestrainers in Deutschland als interessierter Zaungast beobachten, oder?

Gerd Siegmund: Ja, ich kenne Maxi Mechler aus gemeinsamen Skisprungzeiten ganz gut. Wir haben nie den Kontakt verloren. Als er im Frühjahr die Nachfolge von Andi Bauer angetreten hat, habe ich ihm viel Erfolg gewünscht. Ich bin gespannt, ob er in der kurzen Zeit schon etwas bewegen konnte. Wunderdinge sollten wir sicher nicht gleich erwarten. Aber es wäre toll, wenn Ansätze zu sehen sind, dass die Damen wieder näher an die Weltspitze heranrücken.

AVIA: Danke fürs Gespräch!

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