Skisprungexperte Siegmund: Ich traue Granerud den Grand Slam zu

Zwei Springen, ein Sieger: Der Norweger Halvor Egner Granerud mischt die Vierschanzentournee auf, besitzt zur Halbzeit bereits 26,8 Zähler Vorsprung auf den Polen Dawid Kubacki. Trotz der Dominanz sagt Gerd Siegmund: Der goldene Adler des Tourneekönigs ist noch nicht verteilt. Und auch zur künftigen Vierschanzentournee für die Frauen hätte der AVIA-Skisprung-Experte einen Vorschlag.


AVIA: Hallo Gerd, es sieht bei Halbzeit alles danach aus, dass diese 71. Tournee 16 Jahre nach Anders Jacobsen wieder ein Norweger gewinnen wird. Was meinst Du?

Gerd Siegmund: Ja, ich traue Halvor Egner Granerud sogar den Grand Slam mit Siegen auf allen vier Schanzen zu. Dennoch würde ich Dawid Kubacki noch nicht ganz abschreiben. Zum einen hat er in Garmisch im ersten Versuch nicht seinen besten Sprung erwischt. Und natürlich weiß man nie, was wettermäßig noch kommen mag. Ein missratener Sprung von Granerud mit seinem alten Fehler kann das Bild auch schnell verändern. Aber das wünschen wir ihm nicht, und danach sieht es auch nicht aus.

AVIA: Was macht den Norweger gerade zum Überflieger?

Gerd Siegmund: Er hat die Sitzposition so hinbekommen, dass die Symmetrie in seinem Flug stimmt. Diese Technik gepaart mit der enormen Schnelligkeit, mit der er in die ideale Flugposition kommt, dazu die Absprungkraft machen sein Paket momentan aus. 

AVIA: Hat Dich irgendetwas überrascht im bisherigen Tourneeverlauf?

Gerd Siegmund: Eine schöne Überraschung wäre es gewesen, wenn die Deutschen entgegen den Vorleistungen weiter vorn präsent gewesen wären. Bisher hat es noch zu keinem Podestplatz gereicht. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Die absolute Weltspitze ist ein Stück weg. Die Platzierungen sind immer noch gut, aber die Abstände nach ganz vorn schon groß. Man muss es auch differenziert sehen: Philipp Raimund zum Beispiel springt eine Super-Tournee, auch Andreas Wellinger hat sich stark verbessert.

AVIA: Markus Eisenbichler sucht noch seine Topform. Wäre es nicht angebracht, ihn wie Stefan Kraft im Vorjahr nach Garmisch-Partenkirchen ins Training zu schicken oder ist das aus Sponsorengründen gar nicht möglich?

Gerd Siegmund: Also die Sponsoren würden jeden Springer lieber schnell wieder vom Podest jubeln sehen, statt ihn frustriert im Fernsehinterview anzuschauen. Aber die Frage ist schwer zu beantworten, weil ich da nicht so nah dran bin wie die Trainer. Da möchte ich mir nichts anmaßen. Klar ist aber: Spätestens nach der Tournee bin ich gespannt, welche Schlüsse gezogen werden und ob der Skiverband personell in der Lage ist, Markus mit einem Sondertrainingsplan wieder in die Spur zu bringen. Die Saison hält u. a. mit Planica noch lohnenswerte Ziele bereit.

AVIA: In Slowenien wurde fast zeitgleich zum Neujahrsspringen in Garmisch mit Eva Pinkelnig die Siegerin der Silvester-Tour gekürt. Was hältst Du vom Pendant der Männer-Tournee?

Gerd Siegmund: Auch wenn es nur zwei Schanzen bei vier Springen waren, fand ich die Veranstaltung gut. Die Organisatoren haben sich sehr viel Mühe gegeben, trotz der extrem warmen Witterung gute Bedingungen geschaffen. Aber nun sollte der nächste Schritt folgen. Der Deutsche Skiverband hat Garmisch als Startort und Oberstdorf als zweite Station für den kommenden Winter terminiert. Aber offenbar gibt es ein paar Unstimmigkeiten.

AVIA: Was würdest Du vorschlagen?

Gerd Siegmund: Dass sich der DSV, der Österreichische Skiverband und ihre Partner nochmal an einen Tisch setzen. Es gibt für alles eine Lösung. Für mich persönlich erschließt sich nicht, warum Damen und Herren nicht an einem Tag auf derselben Schanze springen sollen. Die Vierschanzentournee fängt nun mal seit ewigen Zeiten in Oberstdorf an und endet in Bischofshofen. Im Skisprungweltcup funktionieren Frauen und Männer auch an einem Tag, zum Beispiel in Titisee-Neustadt oder Willingen. Und im Biathlon starten Damen und Herren ebenso oft an einem Tag.

AVIA: Danke fürs Gespräch.

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