Die Auferstehung des Karl Geiger

Was für ein Weltcup-Wochenende in Klingenthal: Ein Wahnsinns-Publikum, das für eine tolle Stimmung sorgte. Sportlich bot sich den über 11.000 Fans am Samstag und Sonntag eine beeindruckende Show, die vor allem Karl Geiger mit seinem Doppelsieg geprägt hat. Es gibt viel zu erzählen nach den Wettbewerben in der Vogtland-Arena. AVIA hat bei seinem Skisprungexperten Gerd Siegmund nachgefragt.


AVIA: Hallo Gerd, alles hat ein Ende, diesmal auch die Serie von Stefan Kraft. Was sagst Du zur Wiederauferstehung des Karl Geiger?
Gerd Siegmund: Dafür wurde vermutlich das Wort grandios erfunden. Ich denke, dass er an dem Wochenende die Qualität der Sprünge von Stefan Kraft erreicht hat. Dass „Krafti“ nicht von Anfang bis Saisonende jeden Weltcup gewinnt, war auch irgendwie vorherzusehen. Aber was Karl Geiger in der Vogtland-Arena abgerissen hat, war schon sehr beeindruckend.

AVIA: Und er haut die besten Flüge immer genau dann raus, wenn es draufankommt. Wie erklärst Du Dir das?
Gerd Siegmund: Er ist nicht erst seit heute als Wettkampftyp bekannt. Ich denke auch, dass er in der Probe oder der Qualifikation nicht mit Absicht schlecht springt, um der Konkurrenz Sand in die Augen zu streuen. Klar nimmt er dann im Wettkampf nochmal einen anderen Anzug. Aber auch die anderen Anzüge sind keine alten Lappen. Er probiert vielleicht mal etwas aus. Aber das geht nur, wenn man sich seiner Mittel sicher ist.

AVIA: Das scheinen die deutschen Ski-Adler wie zu Saisonbeginn weiter zu sein. Wie schätzt Du das ein?
Gerd Siegmund: Ja, auch wenn das Feld in der Spitze enger wird und die anderen Nationen langsam aufholen; es war schön anzusehen, wie geschlossen die Deutschen dagegenhalten. Gerade Andreas Wellinger, der den Schanzenrekord eingestellt hat oder ein Pius Paschke liefern richtig gut ab und dürften mit viel Selbstvertrauen nach Engelberg reisen. Dieser Heim-Weltcup in Klingenthal hat wirklich Spaß gemacht.

AVIA: Und das in vielen Belangen. Wie hat es sich an Deiner ehemaligen Wirkungsstätte angefühlt?
Gerd Siegmund: Alexander Ziron und sein Team sind inzwischen sehr erfahren. Da greift bei der Organisation ein Zahnrad ins andere. Und das Wetter auch mitgespielt, wenngleich es am Samstag ein bisschen neblig war. Es ist bereits der 14. Winterweltcup in der Vogtland-Arena gewesen. Die Stimmung war wirklich großartig. Also Kompliment an den Veranstalter. Für mich hat es sich angefühlt wie ein Skisprungfest mit Sport vom Feinsten.

AVIA: Du hast es angesprochen: Die anderen Nationen holen langsam auf. Was ist Dir diesbezüglich in Klingenthal aufgefallen?
Gerd Siegmund: Ja, bis auf Polen stimmt das wohl. Die Slowenen haben am Sonntag ein deutliches Lebenszeichen gesendet. Da fehlt es aber noch an Konstanz. Bei den Österreichern hat mich ein bisschen die Gesamtperformance des Teams überrascht. Die mannschaftliche Stärke war nicht mehr so zu sehen wie zu Saisonbeginn, was auch mit Schanzencharakteristik zu tun haben kann. Die Norweger zeigen in Einzelsprüngen, dass sie sich ranpirschen. Ich denke da an Johann André Forfang und in Ansätzen auch an Halvor Egner Granerud. Sie werden bis zur Tournee weiter am Material tüfteln.

AVIA: Du meinst, es ist ein Materialproblem?
Gerd Siegmund: Trainer Alexander Stöckl hat erklärt, dass die Technik seiner Athleten gut ist, sie aber im ersten Flugdrittel zu viel an Geschwindigkeit verlieren und deshalb am Material feilen müssen. Dem würde ich nicht widersprechen. Er weiß also, wo er ansetzen muss. Dafür wünsche ich ihm auch viel Glück. Er feiert heute übrigens seinen 50. Geburtstag. Vielleicht gibt es schon in Engelberg den ersten Podestplatz seines Teams – sozusagen als nachträgliches Geschenk.

AVIA: Was erwartest Du am kommenden Wochenende bei der Tournee-Generalprobe in der Schweiz?
Gerd Siegmund: Die Wachablösung ist bei den Schweizern mit ihrem langjährigen Topathleten Simon Ammann nun vollzogen. Gregor Deschwanden hat pünktlich vor seinem Heimspringen sein erstes Podium bei einem Weltcup erreicht. Das hatte sich im Sommer bereits angedeutet. Ich bin gespannt, wie er jetzt mit dieser Situation vor den Heimfans umgeht. Engelberg ist bekannt für häufig leichte Rückenluftbedingungen. Da fällt mir übrigens sofort ein Springer ein, dem das liegen könnte. Und diesen Namen haben spätestens seit Klingenthal wieder alle auf dem Zettel.

AVIA: Danke fürs Gespräch.

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