Ein Glücksfall für das Skispringen sagt leise tschüss: Johann Hofer

Walter Hofer stand knapp 30 Jahre an der Spitze des Skisprungsports. Der Kärntner hat als Renndirektor des Ski-Weltverbandes FIS die Sportart auf allen Ebenen professionalisiert. Und er vermochte es, mit seiner ruhigen, aber bestimmten Art verschiedene Interessenslagen der Athleten (Sicherheit und Fairness), Veranstalter (Einnahmen), Zuschauer (Unterhaltung) und Medien (Spektakel und Zeitfenster) zu einem angesehenen Produkt zu vereinen. Wir baten den 65-jährigen „Mister Skisprung“ um ein Interview.


AVIA: Der Springertross hatte für Dich in Planica eine gebührende Abschiedsrunde vorbereitet. Doch dann kam der Coronavirus. Wie sehr leidet Walter Hofer unter dem abrupten Ende?

Walter Hofer: Ich glaube, dass ich der letzte sein sollte, unter den gegebenen Umständen zu leiden. Neben den sportlich relevanten Einbußen aller Beteiligten gilt jetzt vor allem die volle Aufmerksamkeit den allgemeinen Herausforderungen. Da ist kein Platz für persönliche Sentimentalitäten.

AVIA: Du hast in den vielen Jahren eine enorme Entwicklung des Skispringens aktiv mitgestaltet. Auf was bist Du besonders stolz? 

Walter Hofer: Dass ich trotz der unterschiedlichen Interessensgruppen aller Beteiligten doch das Gefühl habe, eine Skisprungfamilie mit kollegialem Zusammenhalt verlassen zu dürfen.

AVIA: Sportfachlich gibt es keine Errungenschaften zu nennen?

Walter Hofer: Durch die flacheren Schanzenprofile, den V-Stil und die Materialentwicklung ist Skispringen viel sicherer geworden. Die Abstürze aus großer Höhe aus früheren Tagen, meist einhergehend mit schweren Verletzungen, gibt es nicht mehr. Das Thema der Landestürze hat die FIS im Auge und wird gerade diskutiert.

AVIA: Mit welcher Intension hattest Du als Renndirektor angefangen?

Walter Hofer: Es war für mich Neuland. Bis dahin durfte ich als Betreuer die Disziplin aus zweiter und dritter Reihe beobachten. Auf einmal spürte ich, es geht nun um einen riesigen Aufgabenbereich. Am Anfang war die Disziplin Skispringen noch ungeordnet in seinem Erscheinungsbild. Es gab zum Beispiel eine kuriose Situation. Ich habe 1990 als normaler Zuschauer den Weltcup in Reit im Winkl, allerdings in der Nordischen Kombination, besucht. Als ich im Publikum von einer älteren Dame gefragt wurde: ,Wann springt denn jetzt der Jens Weißflog?‘, wusste ich, dass Skispringen ein Identifikationsproblem hat.

AVIA: Und das war bei weitem nicht die einzige Herausforderung für die Sportart.

Walter Hofer: Nein. Es gab Starterfelder mit 125 Athleten und vier verschiedene Reglements im Skispringen, eines für den Weltcup, für die Junioren-WM, für Olympia und fürs Skifliegen. Das war alles schwer durchschaubar. Wir mussten Skispringen erst für die Medien transportfähig machen.

AVIA: Wie ist das gelungen?

Walter Hofer: Es musste zuerst eine Vereinfachung und Gleichschaltung der Reglements stattfinden. Als nächster Schritt wurde das Erscheinungsbild, das Format geändert. In einem weiteren Schritt hieß es, dem Fernsehen einen besseren Zugang zu verschaffen. Das  ging nicht immer reibungslos. Die Springer mussten sich erst an TV-Kameras im Aufwärmraum gewöhnen – wie an so vieles. Wir wollten, dass die Medien eine Geschichte mit Emotionen erzählen können. Da gehört eben mehr als nur die sportliche Performance dazu.

AVIA: Was waren die prägenden Entwicklungen während Deiner Amtszeit?

Walter Hofer: Wir haben die Umstellung von der einen Stilart mit paralleler Skiführung zur anderen im V-Stil gemeistert. Es gab eine Gewichtsproblematik, der wir mit der Einführung eines Body-Maß-Index entgegenwirkten. Jüngster Fortschritt war die Erfindung der Luken- und Windkompensationsregel. Ohne die wäre ein Skispringen heutzutage nicht mehr im TV-gerechten Zeitformat durchführbar. Und wir haben zumindest in Europa und Asien moderne Schanzenbauten, die einen Wettbewerb unter den Weltcupveranstaltern ermöglichen.

AVIA: Welche Vorhaben stehen in Zukunft für Ihren Nachfolger Sandro Pertile an?

Walter Hofer: Ich werde meinem Nachfolger gerne, wenn immer er es für notwendig erachtet, für ein Feedback zur Verfügung stehen. Aber ich werde ihm keine Ratschläge über die Medien mitteilen. 

AVIA: Wächst aus Deiner Sicht in der Wirtschaft das Interesse, Skispringen zu fördern und für Marketingzwecke zu nutzen?

Walter Hofer: Skispringen ist noch immer eine Randsportart, wenn es um industrielle Unterstützung geht. Aber es gibt einige ausgezeichnete Partner, die Skispringen als Werbeplattform nutzen. Auch AVIA zum Beispiel unterstützt Bereiche, die nicht immer im Fokus der TV-Kameras stehen, nämlich die Gruppe der Vorspringer.

AVIA: Wie sieht die Zukunft des Rentners Walter Hofer aus?

Walter Hofer: Wir, die gesamte Skisprungfamilie, sind jetzt durch die Umstände gezwungen, sehr viel zu improvisieren. Es geht um die Organisation der FIS-Sitzungen und die Kalenderplanungen. Da darf ich noch ein bisschen mithelfen. Danach hoffe ich, dass ich mich vermehrt um meine Hobbies kümmern kann. 

AVIA: Zum Abschluss die Frage: Stimmt es eigentlich, dass Du gar nicht Walter, sondern Johann heißt?

Walter Hofer: Ja, das stimmt. Ich bin von meinen Großeltern aufgezogen worden, gemeinsam mit ihren eigenen sechs Kindern. Auf meiner Geburtsurkunde, die mein Opa von der Gemeinde geholt hatte, stand Johann als einziger Vorname. ,Das geht nicht‘, hat meine Oma gesagt, denn ihr jüngster Sohn hieß auch Johann. Deshalb hat sie entschieden, mich Walter zu nennen. In meinem Pass steht aber immer noch Johann Hofer.

AVIA: Dann vielen Dank, Johann, für das sehr interessante Gespräch. Danke für alles, und bleib gesund!

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News: Wintersport
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