Altmeister Kasai, Erfolgstrainer Stöckl – eine unglaubliche und eine traurige Geschichte


Mit den Siegen von Stefan Kraft und Domen Prevc sind die Springen in Sapporo über die japanische Bühne gegangen. Der Dreikampf um die große Weltcupkugel zwischen Kraft, Ryoyu Kobayashi (Zweimal Zweiter) und Andreas Wellinger (einmal Dritter) bleibt spannend. Doch fernab von Punkten und Metern wurde im Land der aufgehenden Sonne intensiv über zwei Themen diskutiert. Wir tun das auch, mit unserem Experten Gerd Siegmund.

AVIA: Hallo Gerd, Du bist vor kurzem 51 geworden. Warum springst Du eigentlich nicht mehr?

Gerd Siegmund: Weil Skispringen ja immer unvernünftig ist… (lacht) Aber Spaß beiseite: Ich weiß, auf wen Du hinauswillst. Ich finde es Wahnsinn, was Noriaki Kasai macht - einfach toll. Er ist eine schöne Farbe in dem Geschäft und überall auf der Welt Publikumsliebling. Er hat am Wochenende sogar die Schlagzeilen in den sozialen Medien in Deutschland bestimmt. Und um auf Deine Frage zurückzukommen. Noriaki steht im Gegensatz zu mir trainingsmäßig im Saft. Ich würde es dagegen nur aus einer Laune heraus machen. Und da glaube ich, ist es besser, die Fans hier lieber weiter mit Gedanken ÜBER das Skispringen zu unterhalten.

AVIA: Was glaubst Du, werden wir den sympathischen Altmeister in dieser Saison noch einmal vor einem größeren Publikum sehen?

Gerd Siegmund: Da bin ich wirklich selbst gespannt, ob er für das Skifliegen am Wochenende in Oberstdorf nominiert wird. Immerhin war er am Samstag viertbester Japaner in Sapporo. Dass er nicht mehr diese Explosivität beim Absprung hat, erklärt sich in dem Alter von selbst. Aber Hochachtung dafür, wie er bei seinem 571. Weltcup sogar einen Weltcupzähler geholt hat. Das ist eine unglaubliche Geschichte.

AVIA: Wie sieht es denn im Allgäu aus? Kann der Weltcup auf der Heini-Klopfer-Flugschanze überhaupt stattfinden?

Gerd Siegmund: Ja, die Organisatoren haben Grünes Licht gegeben. Da wurde bei den Wetterverhältnissen sicher ganze Arbeit geleistet. Die Flugshow geht also weiter. Andi Wellinger hat jetzt zwar die zweite Position im Gesamtweltcup verloren. Aber da ist noch nichts entschieden. Ich bin auch gespannt, ob es Stefan Kraft schafft, den Rekord von Peter Prevc mit 15 Saisonsiegen zu erreichen. 9 hat er bereits.

AVIA: Was traust Du den Deutschen in Oberstdorf zu?

Gerd Siegmund: Andi Wellinger nach wie vor alles. Die Superflüge kommen zwar nicht mehr so am Fließband, aber die Form stimmt nach wie vor. Schade, dass Philipp Raimund in Sapporo nicht das fortsetzen konnte, was er in Lake Placid gezeigt hat. Ich freue mich auf das Fliegen, weil es eine nationale Gruppe geben wird. Ich gehe davon aus, dass wir den einen oder anderen Youngster sehen werden. Die Priorität des Verbandes wird aber sein, beim gleichzeitig stattfindenden Continentalcup in Iron Mountain zu punkten, um noch einen zusätzlichen Startplatz für die letzte Weltcupperiode zu ergattern.

AVIA: Aus Norwegen hört man derzeit unschöne Geschichten. Was weißt Du über die Palastrevolution der Springer gegenüber Nationaltrainer Alexander Stöckl?

Gerd Siegmund: Es ist traurig, was sich da abspielt. Ich habe mit dem Trainer telefoniert. Nach meinen Informationen geht es in dem Brief, der von allen Athleten unterschrieben an den Verband gerichtet wurde, um Vorwürfe in der Menschenführung und dass er Athleten schlecht behandelt hätte. Die Art und Weise, wie man nach knapp 13 Jahren erfolgreicher Nationaltrainer mit ihm umspringt, halte ich für sehr bedenklich.

AVIA: Er wird also nicht in Oberstdorf dabei sein?

Gerd Siegmund: Nein, wie zuletzt wird sein Assistent Magnus Brevik die Springer abwinken. Natürlich bin ich nie im Team gewesen, kann nicht alles genau beurteilen. Aber ich kenne Alex Stöckl gut, kann die Vorwürfe nicht unterstreichen. Sicher deckt der Erfolg auch mal einiges zu und das floppt dann auf, wenn es mal nicht läuft. Aber dass man nicht den Arsch in der Hose hat und sagt „Hej, Trainer, wir müssen mal reden“ – kann ich nicht nachvollziehen.  Wir sprechen immer über sportliche Fairness. Für diesen Weg, den die Springer gewählt haben, habe ich kein Verständnis.

AVIA: Danke fürs Gespräch.

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