Nachlese: Top-Tournee mit kleinem Fauxpas

Die 68. Vierschanzentournee hat mit Dawid Kubacki einen verdienten Sieger gefunden. Der Pole setzte sich beim Finale in Bischofshofen im Vierkampf um die älteste Trophäe im Skispringen durch. AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund war bei allen vier Springen hautnah dran an den Schanzenadlern, analysiert die spannende Tournee und wirft einen Blick auf den Weltcup am Wochenende in Predazzo voraus.


AVIA: Hallo Gerd, das Momentum lag zum Finale am Laideregg nicht bei Marius Lindvik, der zuvor zweimal gewonnen hatte. Überrascht?

Gerd Siegmund: Platz 1, 1, 3 und Gesamtzweiter sind aber auch nicht so schlecht. Vielleicht muss man in dem Fall einfach sagen, dass Dawid Kubacki in Bischofshofen einen überragenden Tag erwischte. Lindvik hat bei seinen ersten Sprüngen auf der Schanze vielleicht nicht so in seine Anfahrtsposition gefunden, um optimal abzuspringen und ganz vorn anzugreifen.

AVIA: Aber mit Kubacki hat es aber nicht den Falschen getroffen, oder?

Gerd Siegmund: Das sehe ich auch so, obwohl ihn vor der Tournee eigentlich keiner so richtig auf dem Zettel hatte. Nach Engelberg war ich ja auch eher auf der Seite von Kamil Stoch als einer der Top-Favoriten. Dass Kubacki der einzige polnische Springer ist, der nicht auf die neue einheimische Schuhfirma gewechselt ist, sehe ich eher als Zufall. Warum sollte er etwas Neues nehmen, wenn sich das Alte bewährt hat? Damit ist er gut gefahren.

AVIA: So wie Karl Geiger!

Gerd Siegmund: Ja klar. Der Karle ist eine ganz starke Tournee gesprungen. Dass er mit nur einem schwächeren Sprung im ersten Durchgang am Bergisel, bei dem er zu früh abgesprungen war und schlechte Windbedingungen hatte, seine Siegchancen eingebüßt hat, zeigt auch: Das Niveau ist unheimlich hoch in der Spitze. 

AVIA: Hat Stefan Horngacher mit Geigers drei zweiten Plätzen und Gesamtrang drei seine erste Prüfung als Bundestrainer bestanden?

Gerd Siegmund: In jedem Fall. Er verfolgt ja einen etwas anderen Ansatz. Er schottet seine Springer mehr ab. Die unmittelbare Vorbereitung läuft noch im Hotel ab, es geht erst kurz vor Beginn an die Schanze. Zwischen beiden Durchgängen finden keine Interviews statt. Die Athleten sollen sich nur aufs Springen konzentrieren, alles andere bekommen sie abgenommen.

AVIA: Für manchen Zuschauer wirkt der Bundestrainer immer sehr nüchtern und aufgeräumt. Tickt er tatsächlich so?

Gerd Siegmund: Nüchtern ist ja nichts Schlechtes. Aber in dem Amt stehst du natürlich extrem im Fokus. Zwar ist Skispringen noch nicht Fußball, aber was aus Aussagen von Joachim Löw manchmal gemacht wird, ist ja bekannt. Sicher kann der „Steff“ auch mal aus sich rausgehen, aber als Bundestrainer sollte man schon souverän rüberkommen.

AVIA: Apropos. Ganz souverän ging die Organisation bei dieser Tournee nicht ab. Wie ist Deine Einschätzung?

Gerd Siegmund: Alles in allem war es eine toporganisierte Veranstaltung mit Wahnsinns-Zuschauerzahlen, einer riesigen Stimmung und besten Einschaltquoten im Fernsehen. Bis zum letzten Sprung gab es Spannung pur. Dass ein Vorspringer in Garmisch-Partenkirchen auf dem Hotelflur schlafen musste, weil irgendwelche Absprachen nicht eingehalten wurden, ist ärgerlich gewesen. Aber ich bin mir sicher, das wird nicht wieder vorkommen.

AVIA: Und nun geht es schon am Wochenende beim von AVIA unterstützten  Weltcup in Predazzo weiter.

Gerd Siegmund: Ja, allerdings wird an beiden Tagen auf der kleinen Schanze  gesprungen, nachdem auf der großen Anlage der Schnee im Auslauf abgerutscht ist. Für die Springer wird es noch eine Umstellung geben, denn erwartungsgemäß sind in Predazzo weniger Zuschauer als bei der Tournee. Da wird vielleicht sich der eine oder andere vielleicht wie im Training fühlen.  

AVIA: Ist das gut für Karl Geiger?

Gerd Siegmund: Unabhängig vom Publikum könnte es auf der Normalschanze zum Duell mit Dawid Kubacki kommen. Die kleinen Anlagen liegen beiden. Vielleicht dreht Karl ja den Spieß um.

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News: Wintersport
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