Peking - die Würfel sind gefallen

Constantin Schmid und Pius Paschke haben sich in Titisee-Neustadt die restlichen zwei Olympiatickets für Peking gesichert. Karl Geiger, Markus Eisenbichler und Stephan Leyhe standen bereits vorher fest. Unser Skisprungexperte Gerd Siegmund analysiert die Nominierung, die auch anders hätte ausfallen können.


AVIA: Bundestrainer Stefan Horngacher gab die Entscheidung schon vor dem zweiten Springen im Schwarzwald bekannt. Hast Du eine Erklärung dafür, warum man nicht den Wettbewerb am Sonntag abgewartet hat?

Gerd Siegmund: Genau kann ich das nicht sagen. Ich weiß, dass andere Nationen wie Österreich erst nach dem Wochenende nominiert haben. Warum der Deutsche Olympische Sportbund bereits am Sonntag, 9 Uhr die Meldung mit den Athleten haben wollte, ist mir ein Rätsel. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass diese Springen ursprünglich in Sapporo stattfinden sollten. Titisee-Neustadt mit dem Start einer nationalen Gruppe hatte sich erst durch die coronabedingte Absage der Japaner ergeben.

AVIA: Also gab es für Stefan Horngacher am Wochenende nur eine leichte Übung, nämlich von seinem Wohnhaus über die Straße zu gehen und an der Schanze anzukommen…

Gerd Siegmund: Das kann man so sagen. So wie die Umstände waren, ist es zu einer kuriosen, für Severin Freund vielleicht sogar tragischen Entscheidung gekommen. Er konnte nach dem ersten Springen nicht nominiert werden, weil er da nur eine halbe Olympianorm erfüllt hatte. Am Sonntag hat er dann die zweite Teilnorm geknackt. Aber da war die Qualifikation schon durch. Dafür ist Pius Paschke, der in Titisee zweimal den zweiten Durchgang verpasst hat, in Peking dabei. Wobei ich sagen muss: Pius tut mir ein bisschen leid, was er jetzt in den sozialen Medien lesen muss. Denn er hat die Regeln sicher nicht aufgestellt.

AVIA: Gerade in diesen Zeiten könnte aber noch nicht aller Tage Abend sein. Wie siehst Du es?

Gerd Siegmund: Klar, aber natürlich ist auch allen Nominierten zu gönnen, dass sich keiner mehr infiziert. Bei Andreas Wellinger hat man allerdings gesehen, wie schnell es doch passieren kann. Da die PCR-Tests in China medizinisch noch härteren Kriterien unterliegen als in Deutschland, will man bestimmt kein Risiko eingehen. Das ist unglaublich schade für Andi Wellinger, der vor vier Jahren bei Olympia ganz oben stand und sich nach seinem Kreuzbandriss wieder herangekämpft hatte.

AVIA: Nach den Eindrücken vom Wochenende könnte Wellinger einen deutschen Nachfolger bekommen. Was sagst Du zu den Springen in Titisee-Neustadt?

Gerd Siegmund: Obwohl ich selten zu Überschwang neige, würde ich schon mal das Wort phänomenal auspacken. Damit meine ich in erster Linie Karl Geiger, der als Doppelsieger vorn dran steht und als einer der Topfavoriten in Peking anreist. Aber auch Markus Eisenbichler konnte als Dritter überzeugen. Stephan Leyhe springt zweimal in die Top 10 und wirkt wieder stabil. Auch Constantin Schmid hat sich sein Ticket verdient. Gespannt bin ich, ob Pius Paschke noch in die Spur findet.

AVIA: Du hast sicher auch ein Auge auf die nationale Gruppe geworfen. Wie lautet Deine Einschätzung?

Gerd Siegmund: Justin Lisso müsste auf Wolke sieben schweben. Er macht seine ersten Weltcuppunkte und wird gleich 11. und 13., was sogar der Olympianorm entspricht. Seine Leistung ist umso höher einzuschätzen, da er in der Vergangenheit oft verletzt war. Er ist ja fast mehr mit Krücken herumgelaufen, als er von der Schanze gesprungen ist. Auch ein Richard Freitag hat sich bei seinem ersten Weltcup in diesem Winter gut zurückgemeldet. Das konnte sich durchaus sehen lassen.

AVIA: Willingen steht vor der Tür. Ist es mit Blick auf Corona und Olympia denkbar, dass einige Topathleten den Weltcup auslassen?

Gerd Siegmund: Das glaube ich nicht. Willingen hat die Regeln für alle Teilnehmer nochmal verschärft. Es gilt 2G plus. Medienvertreter zum Beispiel werden jeden Tag getestet. Zuschauer sind – so schade wie das ist – nicht zugelassen. Die Athleten kennen die Vorsichtsmaßnahmen, gehen immer professioneller damit um. Ein Restrisiko bleibt natürlich, wie man auch in den Teams von Polen und Norwegen sieht, in denen es u. a. Weltmeister Piotr Zyla oder Daniel Andre Tande erwischt hat. Ich denke aber, dass bei den Herren wie auch den Damen die Weltelite startet. Es ist das letzte Kräftemessen, bevor es in Peking um die Medaillen geht.

AVIA: Danke für das Gespräch

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