AVIA: Hallo Gerd, unglaublich, was da in den Julischen Alpen bis zur WM-Halbzeit bereits passiert ist. Wie beurteilst Du den Turbostart der deutschen Ski-Adler?
Gerd Siegmund: Ich fange mal mit den Damen an. Auch wenn man von ihnen eher die Medaillen erwarten konnte als von den Herren, kann man diese Leistungen gar nicht genug würdigen. Katharina Althaus hat überragend abgeliefert mit dreimal Gold. Selina Freitag konnte ihre erfreuliche Entwicklung in dieser Saison, die im Sommer begonnen hat, eindrucksvoll weiterführen. Und das ganze Team ist in der Breite besser geworden, sonst holst du auch nicht den Titel in der Mannschaft.
AVIA: Und die Männer?
Gerd Siegmund: Zum Glück hat sich der Trend bei den letzten Weltcups fortgesetzt. Mir ist aufgefallen, dass sie wieder sauberer springen, was sehr wichtig ist. Und das Team hat zum richtigen Zeitpunkt, zum Saisonhöhepunkt, seine bisher beste Leistung gezeigt. Die Fahrt nach Rasnov kurz vor der WM war nicht hinderlich. Die Anlaufgeschwindigkeit ist in Planica zudem top. Klar gehört immer auch bisschen Glück dazu, gerade bei diesen wechselnden Winden wie bei den ersten Wettbewerben.
AVIA: Meinst Du nicht, dass die Deutschen noch etwas im Materialbereich ausgepackt haben, was die ganze Mannschaft beflügelt hat?
Gerd Siegmund: Und wenn, dann würden sie es uns nicht sagen. Aber dass im Anzugbereich noch etwas optimiert wurde, hatten wir ja bereits besprochen. Alle, auch die Techniker und Betreuer, haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die WM ist eben ein Tagesgeschäft, nicht wie bei einer Tournee, wo erst nach vier Springen abgerechnet wird.
AVIA: Hattest Du Piotr Zyla als Weltmeister auf dem Zettel?
Gerd Siegmund: Auch wenn es erst wenigen Springern wie zum Beispiel Hans-Georg Aschenbach, Jens Weißflog oder Adam Malysz gelungen ist; den Titelverteidiger darf man nicht außer Acht lassen. Der Saisonverlauf hat gezeigt, dass sich das Blatt schnell wenden kann. Dawid Kubacki ist so dominant in den Winter gestartet, da hat man sich gefragt: Wer soll ihn schlagen? Genauso war es bei und nach der Tournee mit Halvor Egner Granerud. Nun sind es die Deutschen, die sich in Szene setzen.
AVIA: Kennst Du Piotr Zyla persönlich? Seinen extrovertierten Jubel mag nicht jeder.
Gerd Siegmund: Er ist halt ein schräger, lustiger Vogel. Und er steht natürlich auch unter Spannung. Aber Sport lebt doch von Emotionen, und warum sollte man diese in so einer Situation nicht rauslassen? Manche fangen an zu heulen, er springt halt wie ein Rumpelstilzchen herum. Aber ansonsten ist er ein netter, freundlicher Zeitgenosse. Und er lebt fürs Skispringen. Das passt also.
Danke Gerd fürs Gespräch.