Vier Siege bei vier Starts: Der Salzburger Stefan Kraft hat seine Erfolgsserie vom Auftakt auch in Lillehammer fortgesetzt. Genauso erfreulich aus deutscher Sicht: Die Skispringer von Bundestrainer Stefan Horngacher fliegen regelmäßig aufs Podest. Vor dem Wochenende in Klingenthal hat AVIA seinen Skisprungexperten Gerd Siegmund befragt. Hält die Erfolgsserie beim Heimweltcup an?
AVIA: Hallo Gerd, die deutsch-österreichischen Festspiele haben sich in Lillehammer fortgesetzt. Kann derzeit überhaupt jemand Stefan Kraft schlagen?
Gerd Siegmund: Momentan ist es tatsächlich so, dass er einen Fehler begehen muss, um an ihm vorbeizukommen. Die Form ist schon sehr beeindruckend. Er erinnert an die Seriensieger Ryoyu Kobayashi oder Halvor Egner Granerud zu deren besten Zeiten. Man hat das Gefühl, er kann, egal wie gut die Konkurrenz vor ihm ist, immer noch einen draufsetzen. Bei seiner Weltreise mit seiner Frau im April, Mai hat er sicher die Batterien sehr gut aufgeladen. Er ist dann auch verletzungsfrei durch den Sommer gekommen. Da passt einfach alles gut zusammen.
AVIA: Siehst Du Parallelen bei den Deutschen und Österreichern, die im Gesamtweltcup die ersten sieben Plätze belegen?
Gerd Siegmund: Ja, schon. Daniel Tschofenig hat im Sommer einen Schritt nach vorn gemacht. ,Krafti‘ wusste also, dass er sich strecken muss, wenn er die Nummer 1 in Österreich bleiben will. Ich denke schon, dass sie sich gegenseitig pushen. Und das sehe ich auch im deutschen Team. Das Niveau der B-Mannschaft ist mit dem neuen Trainer Ronny Hornschuh deutlich höher geworden, deshalb ist auch da ein gesunder Konkurrenzkampf mit dem A-Team in der Vorbereitung leistungsförderlich gewesen.
AVIA: Was sagst Du zu den Norwegern, Polen und Slowenen?
Gerd Siegmund: Mit dem slowenischen Trainer habe ich gesprochen. Seine Jungs springen noch nicht so befreit, sagt er. Sie wollen alle keinen Fehler machen. Sie sind gut, aber das letzte Selbstvertrauen fehlt noch. Bei Granerud ist das ähnlich. Die Polen hatten auch ein paar gesundheitliche Probleme. Insgesamt denke ich, dass die Umstellung auf die neuen Material-Regeln dem einen Athleten schneller gelingen und dem anderen eben nicht so schnell.
AVIA: Kannst Du das etwas näher erklären?
Gerd Siegmund: Die Keile auf den Skiern dürfen nicht mehr so hoch sein. Auch die Schuhkeile sind nochmals limitiert worden. Wer in diesem Bereich bisher viel Unterstützung für seinen Sprung benötigt hatte, muss jetzt ohne diese Hilfsmittel klarkommen, braucht vielleicht etwas länger für die Umstellung. Hinzu kommt die neue Anzugvermessung. In jedem Fall haben die Deutschen und Österreicher ihre Hausaufgaben gemacht. Mit Blick auf die Vierschanzentournee würde ich den Rest aber nicht abschreiben. Gerade Ryoyu Kobayashi hat mir in Lillehammer schon sehr gut gefallen.
AVIA: Wie hast Du den Auftakt der Damen beobachtet?
Gerd Siegmund: Ich finde es schön, dass mit Josephine Pagnier eine Französin gewonnen hat und man sieht, dass die Siegerinnen nicht nur aus Skisprungnationen kommen müssen. Was die deutschen Damen angeht, so war das sicher noch nicht das, was sich alle zum Start vorgestellt haben. Aber da bin ich zuversichtlich, dass gerade eine Katharina Schmid oder Selina Freitag im Laufe des Winters wieder mit vorn reinspringen werden.
AVIA: In Klingenthal müssen die Damen wieder pausieren. Was erwartest Du am Wochenende in der Vogtland-Arena?
Gerd Siegmund: Ein Fest mit vielen begeisterten Fans, die sich auf eine starke Heimnation freuen dürfen. Die Jungs kennen die Schanze. Nach dem Grand-Prix-Finale im Oktober standen auch noch die Deutsche Meisterschaft und ein Lehrgang der Deutschen in Klingenthal an. Vielleicht gibt es bereits einen Vorgeschmack auf die Tournee zum Jahreswechsel und sehen einen spannenden deutsch-österreichischen Länderkampf.
AVIA: Danke fürs Gespräch