Kraft macht es mit viel Energie


Der Skiflug-Weltmeister 2024 heißt Stefan Kraft. Der Österreicher holte nach zweimal Bronze (2016 Kulm, 2022 Vikersund) erstmals den Titel – und das in seinem Heimatland. Der 30-Jährige überflügelte den nach Tag eins führenden Slowenen Timi Zajc. Die Silbermedaille ging an Deutschland durch Andreas Wellinger. AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund war hautnah dabei. Wir haben bei ihm nachgefragt.

AVIA: Hallo Gerd, nur drei statt vier Durchgängen an zwei Skiflugtagen wegen der Windkapriolen am Kulm – hat es dennoch einen würdigen Sieger gegeben?

Gerd Siegmund: Ja, klar. Die Favoriten haben sich durchgesetzt. Der Weltcupgesamtführende und Weltrekordler hat seinen und den Traum der Gastgeber wahrgemacht. Aus meiner Sicht ist das total verdient, zumal Stefan Kraft ein bisschen verschnupft war. Er hat das zwar nicht an die große Glocke gehängt, deshalb aber auch die Eröffnungsfeier ausgelassen, um ein paar Kräfte zu sparen.

AVIA: Beim Fliegen kommt es doch eher aufs Gefühl an, oder?

Gerd Siegmund: Ja, aber man konnte es ihm ansehen, mit wieviel Einsatz und Energie er sich in der Luft förmlich zerrissen hat, um über diese grüne Linie zu kommen. Also das hat mich sehr beeindruckt. Es war auch wichtig und gut, am Samstag noch einen Sprung durchzubekommen, allein schon wegen der knapp 20.000 Fans, die lange warten mussten. Und ein Quäntchen Glück gehört eben dazu.

AVIA: Apropos: Timi Zajc soll gewettert haben, dass er bei schlechteren Verhältnissen runtergelassen wurde, damit der Lokalheld gewinnt. Ist da was dran?

Gerd Siegmund: Die Aussage kam bestimmt auch etwas aus der Enttäuschung heraus, weil er sich nach Tag eins als den besten Flieger gesehen hat. Borek Sedlák, der an der Ampel sitzt, hat aber den vorgesehenen Windkorridor eingehalten. Klar hatte Zajc schlechte Bedingungen. Ich denke aber, er hat kurz nach dem Sprung emotional reagiert. Das würde ich nicht überbewerten.

AVIA: Durch die Absage am Donnerstag und die Verschiebungen waren besonders Geduld und das richtige Maß von An- und Entspannung gefragt. Ist das entscheidend gewesen?

Gerd Siegmund: Zumindest gehört es dazu, sich darauf einzustellen und auch mit weniger Training die Schanze in den Griff zu bekommen. Letztlich ist das Problem für alle gleich. Stefan Kraft hatte durch die Absage des regulären Trainings keinen Vorteil, da ja Skifliegen laut Reglement außerhalb eines Wettkampfes nicht zulässig ist. Sein Heimvorteil beschränkte sich also auf das fantastische Publikum.

AVIA: Was sagst Du zu den deutschen Ski-Adlern?

Gerd Siegmund: Ich finde, Andi Wellinger hat es überragend gemacht. Ein, zwei Flüge mehr im Training hatten ihm vielleicht gutgetan, um zu schauen, wo ist der Punkt, wo kann ich etwas aggressiver in der Luft arbeiten oder wo muss ich etwas weniger machen. Aber das ist jammern auf hohem Niveau. Silber ist ausgezeichnet. Punkt.

AVIA: Was auf die Bronzemedaille im Team ebenso zutrifft?

Gerd Siegmund: Auf jeden Fall. Mich hat es nicht überrascht, dass es auf ein Duell mit Norwegen hinauslief. Erstaunlich, dass die Deutschen mit Pius Paschke und Karl Geiger furios gestartet sind und das DSV-Team nach zwei Flügen führte. Die Medaille ist redlich verdient, genauso wie das Gold für die Slowenen. Denn sie konnten ihren besten, den am Knie verletzten Anze Lanisek, gut ersetzen.

AVIA: Und nun geht es fast im Skiflugmodus weiter?

Gerd Siegmund: Ja, Willingen gilt als größte Großschanze der Welt. Und Timi Zajc hat es ja dort zuletzt mit seinem Wahnsinnssprung auf 161,5 Meter schon mal mit Fliegen probiert. Aber im Ernst: Die Anlage wird bestens präpariert sein, weil im Skisprungmekka des Sauerlandes parallel am Wochenende der Continentalcup stattgefunden hat. Die Stimmung wird sicher hervorragend sein, und diesmal sind auch die Frauen wieder mit am Start.

AVIA: Danke für das Gespräch.

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