Weltcup-Auftakt in Wisla - Skisprung News von Gerd Siegmund

Den weltbesten Skispringern steht eine Saison mit vielen Unwägbarkeiten bevor. Nur zwei Sommer-Grand-Prix-Wettbewerbe konnten wegen der Coronakrise stattfinden – Ende August in Wisla. In den polnischen Beskiden startet nun am Wochenende auch der Weltcup. Wir haben AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund gebeten, vor dem neuen Winter einen Blick in die Glaskugel zu wagen.


AVIA: Hallo Gerd, es geht schon wieder los. Zum Glück muss man sagen in diesen Zeiten, oder?

Gerd Siegmund: Ja, und der Auftakt bringt trotz der bescheidenen Umstände große Spannung mit sich. Denn durch die Absagen der meisten Sommerwettkämpfe weiß eigentlich keiner so richtig, wo er in seinem Leistungsvermögen steht. 

AVIA: Was glaubst Du, wie viele Weltcups müssen ausfallen?

Gerd Siegmund: Das kann derzeit keiner seriös beantworten. Bisher ist bei den Männern nur Sapporo verschoben worden. Es soll Interessenten für eine Übernahme des Weltcups geben. Ansonsten haben die Veranstalter Hygienekonzepte aufgestellt, mit denen eine Durchführung gesichert werden soll. Wie es aktuell aussieht, werden wir leider einige Weltcups und auch die Skiflug-WM unter Ausschluss der Öffentlichkeit erleben. 

AVIA: Für die ersten drei Stationen wurde bereits beschlossen, dass ohne Zuschauer gesprungen wird…

Gerd Siegmund: Ja, vor allem in Wisla wird das eine ungewohnte Atmosphäre ohne die frenetischen Fans aus Polen. Das ist leider so. Aber Skispringen kann während der globalen Pandemie auch keine Ausnahme bilden. Keiner wünscht sich Sportevents ohne Publikum, aber es ist immer noch besser, als wenn gar keine Wettbewerbe stattfinden.

AVIA: Du hast Dich sicher etwas umgehört in den Teams. Was erwartest Du von den deutschen Athleten?

Gerd Siegmund: Es hat sich auch über die Landesgrenzen hinweg herumgesprochen, dass Markus Eisenbichler derzeit gut drauf ist. Die nationale Meisterschaft hat er souverän für sich entschieden. Erfreulich natürlich für Martin Hamann und damit auch für AVIA, dass er erstmals bei einem Weltcupauftakt am Start ist. Sein Silber bei den Titelkämpfen in Oberstdorf war kein Zufall. Er hat einen großen Schritt nach vorn gemacht. Bei internen Testwettkämpfen kam er noch zweimal auf Platz zwei.

AVIA: Dafür muss Richard Freitag zum Saisonstart zuschauen. Wird er wieder zu alter Stärke finden?

Gerd Siegmund: Davon gehe ich aus. Es gab interne Ausscheidungen, bei denen sich Andi Wellinger gegen Richard und David Siegel durchgesetzt hat. Aus gut unterrichteten Kreisen weiß ich aber, dass Richard Freitag als erster eine Chance bekommen wird, wenn einer im Weltcup schwächelt. 

AVIA: Wird er zunächst im Continentalcup, also in der 2. Liga, springen?

Gerd Siegmund: Wenn denn ein COC stattfindet. Die ersten beiden in Lillehammer wurden ja verschoben. Laut Kalender soll es Mitte Dezember in Ruka losgehen. Da heißt es abwarten. Aber es gibt in Deutschland momentan noch sehr gute Trainingsmöglichkeiten, zum Beispiel auf der Eisspur in Garmisch oder Oberstdorf. Mal schauen, wie lange es auf Matten noch geht, bevor die Netze für den Schnee aufgelegt werden.

AVIA: Hast Du etwas Bedeutsames aus anderen Nationen gehört?

Gerd Siegmund: Bei den Österreichern spricht Chefcoach Andi Widhölzl von einem sehr geschlossenen Team. Stefan Kraft, der seinen Gesamtweltcup-Titel verteidigen möchte, hat wegen Rückenproblemen allerdings nicht so viele Trainingssprünge absolvieren können wie gewünscht. Wenn er aber schmerzfrei springen konnte, war er meist der Beste im Austria-Team. 

AVIA: Bei den Schweizern fehlt wohl der Beste in der Mannschaft. Was weißt Du darüber?

Gerd Siegmund: Ja, Killian Peier hat sich bei einem Landesturz in Einsiedeln das Kreuzband gerissen und fällt den Winter aus. Ich hoffe, dass er zurückkommt. Die Eidgenossen haben ja so schon nicht die Masse an Skispringern.

AVIA: Kommt bei den Norwegern womöglich wieder ein junger Wilder wie im Vorwinter Marius Lindvik nach?

Gerd Siegmund: Da ist mir bisher nichts aufgefallen. Aber mit einem Lindvik würde ich nach wie vor rechnen. Er hat sich auch den nationalen Meistertitel auf der Großschanze geholt. Auf der kleinen war Daniel-Andre Tande erfolgreich. Er soll im Sommer seinen Sprungstil etwas an die deutsche Philosophie angepasst haben. Das heißt, er will die Flugbahn so gut es geht anheben, die Kraft nach dem Absprung wirken lassen und dann in die Vorlage drehen.

AVIA: Ein Publikumsliebling im gesetzten Alter wird zum Auftakt fehlen. Was schreiben denn die japanischen Zeitungen?

Gerd Siegmund: Ich habe auch davon gehört, dass Noriaki Kasai in Wisla fehlen wird. Auch in Japan zählt die Leistung und nicht der Name. Vielleicht soll sich Kasai mit seinen 48 Jahren auch gleich auf die Skiflug-WM vorbereiten. Um das rauszubekommen, ist mein Japanisch aber zu schlecht.

AVIA: Bei Eurosport wurde der Co-Kommentator neu besetzt... 

Gerd Siegmund: Der Sender wird Martin Schmitt in dieser Position mehr einbinden, auch den ehemaligen Bundestrainer Werner Schuster. 

AVIA: Dann lassen wir uns überraschen! Danke für das Gespräch!

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News: Wintersport
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